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Ist Ihr Team manchmal der reinste Affenzirkus? 5 wissenschaftlich bestätigte Gründe, warum das ein Vorteil sein kann!

Dr.  Markus Ebner ,  MSc.

Dr.  Markus Ebner ,  MSc.

Organisationspsychologie
Begründer des PERMA-Lead Modells

Hatten Sie schon einmal die Herausforderung, in einem Team zu arbeiten, das in Wirklichkeit ein Schlachtfeld aus mehreren kleineren Teams war, die sich gegenseitig keinen Erfolg gönnten? Oder hatten Sie schon einmal einen Kollegen, der Ihnen durch seine Art der Beziehungsgestaltung jede Lust auf eine Zusammenarbeit in einem durchaus spannenden Projekt nahm? Dann wissen Sie aus eigener Erfahrung, wie relevant arbeitsförderliche Beziehungen für langfristige Jobperformance sind.

Menschen, die in Teams mit unterstützender Atmosphäre arbeiten, wissen, wie stressreduzierend es ist, nach einem problematischen Gespräch mit einem Kunden das wertschätzende Ohr einer Kollegin zu finden. Oder wie viel Energie es gibt, wenn sich Kollegen darüber freuen, dass man in einem Projekt erfolgreich war.

Ein Schwerpunkt der positiv-psychologischen Forschung ist, die Bedeutung von Beziehungen für Lebenszufriedenheit zu ergründen. Und somit gibt es auch eine Menge an Studien, die sich mit den Auswirkungen von positiven, aber auch negativen Arbeitsbeziehungen beschäftigt haben. Auch die Forschungsergebnisse von meinem Team und mir zeigt eindeutig, dass positive Arbeitsbeziehungen eine Menge messbarer Vorteile haben. Eine kleine Auswahl dieser spannenden Ergebnisse möchte ich Ihnen hier vorstellen, zahlreiche weitere finden Sie in meinem Buch.

Robert Sapolsky, ein Neurowissenschaftler der Universität Stanford und Autor des Buches mit dem passenden Titel „Warum Zebras keine Geschwüre bekommen“, reiste mehrfach nach Kenia, um das stressige Leben von Pavianen zu studieren. Deren wettbewerbsorientierte Gesellschaft ist unserer eigenen ähnlich. Er stellte fest, dass manche dieser Affen es offensichtlich schaffen, mit Stress besser umzugehen als ihre Artgenossen. Sapolsky war daran interessiert, herauszufinden, was die Ursache dafür ist. Das Resultat seiner Studien: Diejenigen Paviane, die stabile soziale Verbindungen aufgebaut haben, können am besten mit Stress umgehen. Als eine grundlegende Erkenntnis seiner jahrzehntelangen Forschung kommt er zu dem Schluss, einen der Schlüsselfaktoren für Stressreduktion gefunden zu haben: die Kultivierung von Freundschaften.

Gilt das, was für Affen offensichtlich hilfreich ist, auch für Menschen am Arbeitsplatz?

1. Arbeitsbeziehungen haben eine messbare Auswirkung auf die Gesundheit

Eine große Anzahl von Studien belegt, welch starken Einfluss Arbeitsbeziehungen auf die Gesundheit haben. Das ist nicht verwunderlich, sind es doch meist die Arbeitskollegen, mit denen wir regelmäßig am meisten Zeit verbringen. Im Jahr 1991 wurde bei Mitarbeitern aus verschiedensten Berufsgruppen untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der sozialen Unterstützung am Arbeitsplatz und gesundheitsrelevanten körperlichen Werten gibt. Das Ergebnis dieser Studie machte sichtbar, dass jene Mitarbeiter, die in ihrem Arbeitsumfeld wenig soziale Unterstützung erlebten, einen signifikant höheren (systolischen) Blutdruck und einen messbar höheren Puls hatten.

Bluthochdruck wird zwar nicht gleich bemerkt, hat aber schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit. Dauerhaft zu hoher Blutdruck kann Herz, Blutgefäße, Gehirn, Augen und Nieren schädigen. Diese Schäden wiederum können Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall nach sich ziehen. Eine ähnliche Studie fand heraus, dass geringe soziale Unterstützung am Arbeitsplatz nicht nur mit höherem Puls während der Arbeit, sondern sogar am Abend einhergeht. 

Eine weitere Studie zeigte, dass Mitarbeiter, die weniger soziale Unterstützung am Arbeitsplatz erlebten, eine höhere nächtliche Ausschüttung von Cortisol (Stresshormon mit dämpfender Wirkung auf das Immunsystem) hatten und eine höhere Ausschüttung von sogenannten C-reaktiven Proteinen. Das ist ein Eiweiß, das in der Leber als Reaktion auf Entzündungen oder Tumore gebildet wird.

2. Beziehungen im Team beeinflussen unseren Hormonhaushalt

Haben Sie schon vom Hormon „Oxytocin“ gehört? Dieses Hormon ist ein wahrer Tausendsassa und verbessert beispielsweise die Wundheilung, senkt das Stresshormon Cortisol und verringert den Blutdruck. Über die Medizin und Neuropsychologie hinaus wurde das Hormon aber als „Beziehungshormon“ bekannt, weil es offensichtlich dann im Spiel ist, wenn Menschen Nähe zueinander empfinden.

Eine Forschergruppe fand in Experimenten heraus, dass es bei Menschen zu einem Anstieg des Oxytocinspiegels führt, wenn sich andere Menschen wie zum Beispiel die Kollegen am Arbeitsplatz auf eine vertrauensbildende Weise verhalten. Der Effekt war in der Untersuchung ziemlich groß und stieg bei jenen Versuchsteilnehmern, die ein vertrauenswürdiges Gegenüber hatten, um mehr als die Hälfte an im Vergleich zu jener Gruppe, die kein Gegenüber hatte.

Das Spannende dabei ist, dass der Oxytocinspiegel nun selbst wieder das Verhalten beeinflusst, wie eine zweite Studie zeigt. Dazu spielten Versuchspersonen ein Spiel, in dem es um echte Geldbeträge ging. Bei einem Teil der Testpersonen wurde durch einen Nasenspray ein erhöhter Oxytocinspiegel erzeugt. Es zeigte sich, dass diese Personen mehr Vertrauen ihren Spielpartnern gegenüber an den Tag legten als jene Personen, deren Oxytocinspiegel nicht erhöht wurde. Die Conclusio ist daher, dass vertrauensvolle Teambeziehungen zu einer Erhöhung des Oxytocinspiegels führen, was wiederum zu vertrauensvolleren Beziehungen zu Kollegen führt.

3. Positive Beziehungen am Arbeitsplatz machen widerstandsfähig und erfolgreich

Besonders unter stressigen oder belastenden Arbeitsbedingungen ist die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) der Mitarbeiter eine wichtige Ressource, die auch nachweislich positive Auswirkungen auf die Arbeitsleistung hat. Resilienz bedeutet nicht nur, wie lange jemand wie ein „Stehaufmännchen“ nach einer belastenden Situation braucht, um sich davon zu erholen, sondern beschreibt auch die Fähigkeit, daraus zu lernen und gestärkt aus diesen Erfahrungen hervorzugehen. Professor John Paul Stephens, ein Spezialist zur Erforschung der Wirkung von positiven Beziehungen im Arbeitsumfeld, hat gemeinsam mit Kollegen untersucht, welche Auswirkung positive Arbeitsbeziehungen auf Resilienz haben. Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass eine vertrauensvolle Atmosphäre im Team signifikante positive Auswirkungen auf die Resilienz der einzelnen Teammitglieder hat.

Dabei geht es aber nicht um eine gespielte und unauthentische Positivität. Die Wirkung entsteht nämlich erst dann, wenn sowohl positive als auch negative Emotionen geteilt werden können. In einer weiteren Studie wurde gezeigt, dass dieses Teilen von positiven und negativen Emotionen Auswirkungen auf die Resilienz des gesamten Teams hat. Diese Ergebnisse sind nicht verwunderlich und machen deutlich, dass tragfähige, herzliche und echte Beziehungen immer das ganze emotionale Spektrum der Menschen beinhalten.

4. Positive Beziehungen sind ein Merkmal von besonders leistungsfähigen Teams

Nach den tragischen Attentaten von 9/11, so berichtet der bekannte Professor und Managementpsychologe Adam Grant, untersuchten Psychologinnen und Psychologen die Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten. Sie hatten das Ziel, herauszufinden, was einzelne Abteilungen erfolgreich machte. Sie interviewten, beobachteten und testeten hunderte Analysten in insgesamt 64 unterschiedlichen Teams. Sie erhoben unter anderem die Rollenklarheit, ob die Belohnungen angemessen erlebt wurden und ob die jeweilige Führung stark war. Das Ergebnis: Der stärkste Faktor, der hocheffiziente Teams von den anderen unterschied, war, wie stark sich die Analysten gegenseitig unterstützten. Sie fanden heraus, dass in allen High-Performance-Teams die Mitarbeiter eine Menge Zeit in gegenseitiges Coaching, Lehren oder auch Beraten investierten. In den Abteilungen mit der schlechtesten Performance wurde hingegen sehr wenig Zeit in diese Form der Unterstützung investiert.

Philip Podsakoff, ehemaliger Managementprofessor und einer der meistzitierten Autoren im Bereich Management untersuchte ebenfalls die Wirkung einer unterstützenden Teamkultur. Seine Studien zeigen, dass eine positive Teamkultur sowohl die Produktivität als auch die Effizienz erhöht. Weiters konnte er zeigen, dass die Leistung steigt, in Teams Probleme selbstständiger gelöst werden und sogar die Kundenzufriedenheit messbar steigt, wenn die Arbeitsbeziehungen positiver erlebt werden.

5. Arbeitsbeziehungen, die bereits freundschaftlich sind – gut oder schlecht?

Diese Frage beschäftigt Führungskräfte und Unternehmen schon lange. Tatsächlich beschreiben die meisten Berufstätigen, dass sie zu der Mehrzahl ihrer Kollegen ein freundschaftliches Verhältnis haben und es nichts Ungewöhnliches ist, sich außerhalb der Arbeitszeit zu treffen und auch gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. Karriere dürfte sich auf freundschaftliche Beziehungen am Arbeitsplatz allerdings ungünstig auswirken: Je höher jemand in der Hierarchie aufsteigt, desto stärker verringern sich freundschaftliche Arbeitsbeziehungen. Ist das ein Hinweis darauf, dass Freundschaften am Arbeitsplatz eine ungünstige Auswirkung haben?

Ganz im Gegenteil! Freundschaften am Arbeitsplatz sind nachweislich ein günstiger Faktor für Arbeitszufriedenheit, wie ein Team rund um die Psychologieprofessorin Barbara Winstead herausfand. Regelmäßige Gallup-Studien, die anhand von zwölf Fragen untersuchen, welche Faktoren das Engagement der Mitarbeiter beeinflussen, gehen sogar noch einen Schritt weiter. Neben allgemeinen Fragen zu Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten lautet nämlich eine Frage: „Haben Sie einen besten Freund am Arbeitsplatz?“ Es zeigte sich, dass in den höchstproduktiven Abteilungen tatsächlich mehr Mitarbeiter einen besten Freund am Arbeitsplatz haben. Ein bester Freund am Arbeitsplatz hat laut diesen Studien eine Menge positiver Auswirkungen: 

Mitarbeiter mit einem besten Freund am Arbeitsplatz erleben um 37 Prozent mehr, dass jemand bei der Arbeit ihre Entwicklung fördert, beschreiben um 27 Prozent öfter, dass die Mission ihres Unternehmens bewirkt, dass sie ihren Job als wertvoll sehen und erleben um 27 Prozent stärker, dass ihre Meinung am Arbeitsplatz zählt.

Die Studienergebnisse zeigen also ganz deutlich, dass arbeitsförderliche Beziehungen bis hin zu Freundschaften am Arbeitsplatz eine Menge positiver Effekte haben. Unabhängig davon, ob es um die Beziehung zwischen Mitarbeitern oder zwischen Mitarbeitern und Führungskräften geht: Die Beziehungsqualität ist ein relevanter Schlüsselfaktor für effektive und leistungsbereite Teams. Oder wie bereits einer der Gründerväter der Positiven Psychologie, Chris Peterson, sagte: „Other people matter!“

Über den/die Autor*in

Dr. Markus Ebner, MSc.

Organisationspsychologie
Begründer des PERMA-Lead Modells

Er unterrichtet an mehreren Universitäten und Fachhochschulen den Schwerpunkt Führung, hat in diesem Bereich zahlreiche Bücher und Publikationen verfasst und verfügt über Zusatzausbildungen in Coaching, Supervision, Krisenintervention, Sozialpädagogik sowie Organisations- und Teamentwicklung. Neben seiner mehr als 20-jährigen Tätigkeit als Trainer, Coach und Berater ist er der Begründer des PERMA-Lead Modells und als einer der namhaften europäischen Experten für Positive Leadership im Board of Directors des Österreichischen Dachverbands für Positive Psychologie. 2021 wurde er für seine Arbeit vom Weltdachverband für Positive Psychologie (IPPA) mit dem „Exemplary Research to Practice Award“ ausgezeichnet.