Zum Inhalt springen

5 wissenschaftlich bestätigte Gründe, warum Führungskräfte für positive Emotionen bei ihren Mitarbeitern sorgen sollen

Dr.  Markus Ebner ,  MSc.

Dr.  Markus Ebner ,  MSc.

Organisationspsychologie
Begründer des PERMA-Lead Modells

Wie viel Freude muss Arbeit machen? Immerhin meinten 92 Prozent der befragten Personen in einer australischen Studie, dass ein »glücklicher Arbeiter auch ein fleißiger Arbeiter« sei. Diane Gherson ist Senior Vice President for Human Resources bei IBM und wurde 2015 als eine der 15 einflussreichsten Frauen in HR-Bereichen bezeichnet. Laut Gherson kann das Unternehmen mittlerweile bestätigen, dass glückliche Mitarbeiter Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Kunden haben.

Wie sich Mitarbeiter verhalten, erklärt demnach zwei Drittel der Bewertungen durch die Kunden. Und eine Steigerung der Kundenzufriedenheit bei IBM um 5 Prozent hat eine durchschnittliche Umsatzsteigerung von 20 Prozent zur Folge!

Die für Unternehmen und Organisationen relevante Forschung bestätigt diese Erkenntnisse eindeutig: Positive Emotionen bei Mitarbeitern bieten messbare Vorteile für das gesamte Unternehmen. 5 ausgewählte Forschungsergebnisse dazu möchte ich Ihnen vorstellen.

1. Grund: Je mehr positive Emotionen in Teams vorkommen, desto weniger Krankenstände gibt es

Um herauszufinden, welchen Zusammenhang es zwischen positiven Emotionen und Krankenständen gibt, haben wir in den letzten beiden Jahren bei einer Vielzahl von vergleichbaren Business-Units von allen Teammitgliedern anonym gemessen, wie viel Freude, Spaß, und andere positive Emotionen am Arbeitsplatz erlebt werden. Zusätzlich ließen wir den Jahresdurchschnitt an Krankenstandstagen in diesen Teams erheben. Das Ergebnis ist eindeutig: In jenen Teams, in denen die Mitarbeiter mehr Spaß, Freude, und andere positive Emotionen erleben werden signifikant weniger Krankenstände verzeichnet als in Teams mit weniger positiven Emotionen. In letztgenannten Teams war die durchschnittliche Anzahl an Krankenstandestagen pro Jahr nämlich signifikant höher.

2. Grund: Positive Emotionen machen kreativer

Die bereits verstorbene amerikanische Psychologie- und Marketingprofessorin Alice M. Isen zeigte in zahlreichen Studien, wie eine positive Grundhaltung das Denken und daraus resultierend unsere Handlungen beeinflusst. Bei einem ihrer Experimente bekamen beispielsweise die Versuchspersonen eine Kerze, eine Schachtel voller Streichhölzer und Reißzwecke und hatten die Aufgabe, das Ganze an einer Wand zu befestigen. Um diese Aufgabe zu lösen, müssen die Teilnehmer allerdings kreativ sein. Sie müssen dazu nämlich die Streichholzschachtel nicht mehr nur als Behälter wahrnehmen, sondern als Material, das man an der Wand befestigen kann, um die Kerze hineinzustellen. Im Originalexperiment vor einigen Jahrzehnten kamen nur etwa 20 Prozent der Versuchspersonen auf diese kreative Lösung.

Ilsen versetzte nun ihre Probanden in eine positive Stimmung, indem sie ihnen kurze Filmausschnitte aus einer Komödie vorspielte, und siehe da, 75 Prozent der Versuchspersonen kamen auf die richtige Lösung. In unseren eigenen Studien konnten wir zeigen, dass das auch für Führung gilt: Führungskräfte, die es als eine ihre Aufgaben sehen, für positive Emotionen bei ihren Mitarbeitern zu sorgen, sind signifikant kreativer als jene, die sich weniger um positive Emotionen bei ihren Mitarbeitern kümmern.

3. Grund: Eine positive Grundhaltung erhöht die Widerstandsfähigkeit

Barbara Fredrickson, eine der renommiertesten Wissenschaftlerinnen der Positiven Psychologie untersuchte mit ihrem Team unter anderem, wie Menschen, deren Grad an Widerstandsfähigkeit (Resilienz) im Vorfeld gemessen wurde, die Anschläge auf das World Trade Center im Jahr 2001 verarbeitet haben. Dabei zeigte sich Erstaunliches: Unabhängig davon, ob die untersuchten Personen widerstandsfähig (resilient) waren oder nicht, berichteten sie von ähnlichen emotionalen Belastungen nach den Anschlägen. Offensichtlich ist der Wunsch nach einer ›dickeren Haut‹ gar nicht der Schlüssel zu mehr Resilienz.

Allerdings erholte sich die Gruppe mit hoher Widerstandsfähigkeit schneller als jene mit niedrigen Messwerten, manche entwickelten durch die Erfahrung sogar ein höheres Maß an psychischer Stärke! Was machte nun den Unterschied zwischen hoch- und niedrigresilienten Personen aus? Es war die positive Lebenseinstellung. Eine positive Grundhaltung wirkt sich also signifikant darauf aus, dass Menschen sich nach negativen Ereignissen rascher erholen. Offensichtlich ist die Kompetenz, sich nach negativen Ereignissen auch die positiven Aspekte des Lebens (oder der Situation) wahrzunehmen, einer der Schlüssel zur Widerstandsfähigkeit. Diese Kompetenz wurde von Fredrickson als Undo-Effekt bezeichnet und seine Wirkung in verschiedenen Experimenten untersucht und bestätigt.

4. Grund: Positive Emotionen führen zu einem nachhaltigen Aufbau von Ressourcen

Bereits 1998 stellte Barbara Fredrickson eine Forschungsarbeit vor, in der sie beschreibt, wie sich positive Emotionen auf verschiedene Bereiche auswirken. Sie bezog sich in dieser Arbeit auf vier Emotionen (Freude, Interesse, Zufriedenheit und Liebe) und stellte erstmals ihr damals noch theoretisch hergeleitetes »Broaden and Build«-Modell vor. In kurzen Worten geht es dabei darum, dass positive Emotionen die Wahrnehmung erweitern (broaden) und es dadurch zu einem Ressourcenaufbau (build) kommt.

Positive Emotionen weiten das momentane Denken und Handeln. Dadurch entstehen kreative, flexible und unvorhersehbare neue Denk- und Handlungsweisen. So wird beispielsweise eine neue Mitarbeiterin eher auf ihre Kollegen zugehen, sie um Rat fragen oder sich einbringen, wenn sie in einem positiven Gefühlszustand ist. In einem Meeting werden kreative Ideen sicher leichter entwickelt, wenn die Stimmung wertschätzend ist und nicht eine permanente latente Angst vorherrscht, sich mit eigenen Ideen zu blamieren. Sollten Sie schon jemals in einem Team mit durchgängig schlechter Stimmung gearbeitet haben oder einen Vorgesetzten (im wahrsten Sinn des Wortes: vorgesetzt) erlebt haben, der für Angst und Schrecken sorgte, dann wissen Sie, dass diese Umstände zwangsläufig zu Abgrenzung oder anderen Schutzmaßnahmen führen. Kein Wunder, dass es üblicherweise drei ungünstige Reaktion auf negative Emotionen gibt: Fight, flight or freeze. (Übersetzt: Kämpfen, Fliehen, Erstarren)

Kreative Studiendesigns zeigen in diesem Zusammenhang, dass sich Emotionen direkt auf die Wahrnehmung auswirken. So wurden in einem Experiment Versuchspersonen in unterschiedliche emotionale Zustände versetzt; anschließend wurden ihnen am Computer verschiedene Seiten gezeigt. Dabei waren auf jeder Seite drei Bilder zu sehen: eines in der Mitte und zwei am Rand. Für dieses Experiment hatten die Probanden einen Eye-Tracker auf, eine Art Brille, mit der es möglich ist, die Augenbewegungen genau aufzuzeichnen. Die Untersuchungsteilnehmer wurden instruiert, sich die Seiten ohne einen bestimmten Fokus anzusehen. Das Ergebnis der Studie war, dass Personen, die in einen positiven Zustand versetzt wurden, tatsächlich mehr herumschauten und signifikant öfter auch die Bilder am Rand beobachteten. Sie nahmen also bedeutend mehr von den dargebotenen Informationen wahr als jene, die nicht in diesen positiven Zustand versetzt wurden. Dass Menschen in einem positiven emotionalen Zustand »ihr Blickfeld erweitern« und es in einem negativen Zustand zu einer »Einengung des Blickfelds« kommt, ist somit nicht nur eine umgangssprachlich gebräuchliche Feststellung, sondern sie ist wissenschaftlich belegt.

Durch die erweiterte Wahrnehmung und die kreativeren Gedanken und Handlungen kommt es im zweiten Schritt zu einem Aufbau von Ressourcen. So wird die neue Kollegin, die aufgrund der positiven Stimmung auf ihre Kollegen zugegangen ist, wahrscheinlich schneller eine tragfähige Beziehung zu ihrem Team herstellen – sie hat eine soziale Ressource aufgebaut. Und jener Kollege, der sich beim Meeting aufgrund einer wertschätzenden Teamhaltung einbringt, wird Freude daran haben, sich noch tiefer mit dem Thema zu beschäftigen und zu recherchieren, und baut auf diesem Weg eine kognitive Ressource auf.

5. Grund: Positive Emotionen steigern die Leistung

Von erfolgreichen Führungskräften wird erwartet, dass sie die Leistung der Mitarbeiter günstig beeinflussen. Daraus ergibt sich die spannende Frage, welche Auswirkung der ›weiche‹ Faktor Emotionen auf den ›harten‹ Faktor der messbaren Leistung hat.

Der britische Ökonom Andrew Oswald widmet sich in seinen Forschungsarbeiten dem Grenzbereich zwischen Ökonomie und Psychologie und ist mit einer Forschergruppe dieser Frage nachgegangen. In seiner Studie mit dem bezeichnenden Namen »Happiness and Productivity« konnte er zeigen, dass ein gezieltes Herbeiführen von positiven Emotionen die Arbeitsleistung um rund 12 Prozent steigert – und das bei gleichbleibender Qualität.

In derselben Studie zeigte er, dass negative Emotionen ungünstige Auswirkungen auf die Leistung haben. Auf den Arbeitsalltag umgelegt bedeutet dieses Ergebnis, dass Führungskräfte, die für eine gute Stimmung im Team sorgen, zumindest zwei Aspekte gleichzeitig beeinflussen: Sie sorgen für eine besseres Arbeitsklima und steigern dabei gleichzeitig die Leistung des Teams!

Über den/die Autor*in

Dr. Markus Ebner, MSc.

Organisationspsychologie
Begründer des PERMA-Lead Modells

Er unterrichtet an mehreren Universitäten und Fachhochschulen den Schwerpunkt Führung, hat in diesem Bereich zahlreiche Bücher und Publikationen verfasst und verfügt über Zusatzausbildungen in Coaching, Supervision, Krisenintervention, Sozialpädagogik sowie Organisations- und Teamentwicklung. Neben seiner mehr als 20-jährigen Tätigkeit als Trainer, Coach und Berater ist er der Begründer des PERMA-Lead Modells und als einer der namhaften europäischen Experten für Positive Leadership im Board of Directors des Österreichischen Dachverbands für Positive Psychologie. 2021 wurde er für seine Arbeit vom Weltdachverband für Positive Psychologie (IPPA) mit dem „Exemplary Research to Practice Award“ ausgezeichnet.